WELTKULTURERBE AFGHANISTAN


Das Minarett von Jam

Sich auftürmende Berge, schiere Felswände und ein tief eingeschnittenes Tal bilden die dramatische Landschaft in der Provinz Ghor, in der sich das 65 Meter hohe Minarett gen Himmel reckt. Das aus Ziegel erbaute und dekorierte, beinahe grazil anmutende Minarett, an dessen Spitze eine Inschrift aus blauen Kacheln angebracht ist, legt Zeugnis ab von der hohen Baukunst des 12. Jahrhunderts. Seit fast einem halben Jahrhundert wird alles unternommen, um dieses architektonische Juwel der islamischen Welt zu erhalten. Besonders gefährdet ist das Minarett durch die Überflutungen des Hari und Jami, die bis zum Fuß des schlanken Turmbaus vordringen.



Minarett von Jam, Afghanistan, Foto: By david adamec (Own work) [Public domain], via Wikimedia Commons

© By david adamec (Own work) [Public domain], via Wikimedia Commons

Vermutet wird, dass dieses solitäre Bauwerk dort steht, wo einst die Hauptstadt der Ghuriden-Dynastie existierte. Die Ghuriden waren zwischen dem 12. und 16. Jahrhundert die Herrscher über Afghanistan und Teile Nordindiens. Aus einer der Inschriften am Minarett kann man das Baujahr 1194 entnehmen, aus einer anderen den Namen des mächtigen Ghuriden-Herrschers Ghiyas ud-Din (1157-1202). Gleichfalls nur eine Vermutung existiert über den Anlass des Baus: Da das Minarett bisweilen auch als Siegesturm bezeichnet wurde, könnte er aus Anlass des Sieges der Ghuriden über die Ghasznawiden errichtet worden sein. Nach diesem Sieg verlegten die Herrscher der Ghuriden ihre Sommeresidenz nach Jam.

Minarett von Jam, Afghanistan, Foto: By david adamec (Own work) [Public domain], via Wikimedia Commons

© By david adamec (Own work) [Public domain], via Wikimedia Commons


Kulturlandschaft und archäologische Stätten des Bamiyan-Tals

Im März 2001 gingen die dramatischen Bilder um die Welt, als die damals in Afghanistan gefürchteten Gotteskrieger, die Taliban, Jahrhunderte alte Zeugnisse buddhistischer Kultur sprengten und die riesigen, aus dem Felsen herausgeschälten Buddhafiguren in ihre Einzelteile zerfielen. Übrig blieben gewaltige leere Felsennischen. Auch diplomatische Interventionen von Vertretern der islamischen Welt konnten diesen Akt der Barbarei nicht verhindern. So erinnert das jetzige Welterbe, das angesichts der Zerstörung mit seiner Ernennung auch sogleich auf die Liste des gefährdeten Welterbes platziert wurde, nicht nur an kulturelle Errungenschaften der Menschheit, sondern auch an das Versagen der internationalen Zivilgesellschaft

Die Kulturlandschaft im Bamiyan-Tal verweist mit den verbliebenen buddhistischen Klöstern und heiligen Stätten auf die Kultur des baktrischen, seleukidischen, sassanidischen und ghuridischen Reiches zwischen dem 1. und 13. Jahrhundert. Zugleich liegt die Bedeutung des Bamiyan-Tals darin, dass es sich zum westlichsten Außenposten des Buddhismus an der Seidenstraße entwickelt hatte. Über Jahrhunderte hinweg waren die Felsenbuddhas und Mönchsklöster ein wichtiger Pilgerort gewesen.

Nicht allein die Felsen von Bamiyan sind ein Erbe der Menschheit, sondern auch das Kakrak- und das Fuladi-Tal sowie die befestigte Niederlassung Shahr-i-Ghulghulah. Im Kakrak-Tal stößt man auf über 100 Höhlen, die zwischen dem 6. und 13. Jahrhunderten durch Menschenhand geschaffen wurden. Außerdem beherbergt das Tal die Fragmente einer zehn Meter großen Buddhafigur. Wichtige Ausmalungen machen den Wert einer Gruppe von Höhlen des Fuladi-Tals aus. Aus Erdwerk erbaut wurden zwischen dem 6. und 8. Jahrhundert die Befestigungsmauern, Türme und Zitadellen von Quallai Kaphari, das östlich der Felsen von Bamiyan liegt.

Nach den Zerstörungen der Buddhafiguren gibt es Pläne diese zu rekonstruieren. Vorrangig ist es jedoch die verbliebenen Rudimente ebenso zu sichern wie die buddhistischen Höhlenmalereien und die in Höhlen bis heute zu findenden sitzenden Buddhafiguren.

Text: Ferdinand Dupuis-Panther



Band-e-Amir in Bamiyan, Foto: 
    
 By Carl Montgomery (Flickr, Link) [CC-BY-2.0 (www.creativecommons.org/licenses/by/2.0)], via Wikimedia Commons

Band-e-Amir in Bamiyan
© By Carl Montgomery (Flickr, Link) [CC-BY-2.0 (www.creativecommons.org/licenses/by/2.0)], via Wikimedia Commons










FOTOS AUS AFGHANISTAN