WELTKULTURERBE GRIECHENLAND



Der Apollontempel von Bassae

In der wilden Bergwelt Arkadiens, in einer Höhe von 1130 Metern, blieb der Tempel des Apollon Epikureios erhalten. Vermutlich ist es gerade seiner abgeschiedenen Lage am Rande eines tiefen Taleinschnittes zu verdanken, dass von ihm mehr als von den meisten anderen Tempeln Griechenlands erhalten blieb. Den Schriften des antiken Autors Pausanias ist es darüber hinaus zu verdanken, dass der Nachwelt Einzelheiten über das Aussehen dieses Baus erhalten blieben.



Der Legende nach ist seine Errichtung auf eine im 5. Jahrhundert v. Chr. in dieser Gegend grassierende Pestepidemie zurückzuführen. Damals hatten die Bewohner ein Gelübde abgelegt, wonach sie Apollon einen Tempel stiften wollten, wenn er sie mit der Krankheit verschonte. Offensichtlich waren die Bitten erfolgreich und an der Stelle eines älteren Vorgängerbaus, zum Teil mit alten Steinblöcken, wurde zu Ehren des Apollon Epikureios (dem ‚Heiler‘), dieser architektonisch ungewöhnliche Bau errichtet, der bis heute Bewunderung und Fragen gleichermaßen aufwirft. Man nimmt allgemein an, dass Iktinos, Erbauer des berühmten Parthenon in Athen, auch diesen Tempel errichtete, vermutlich in der Zeit zwischen 438 und 420 v. Chr.

Die erste architektonische Besonderheit liegt in seiner Ausrichtung in Nord-Südrichtung abweichend von der üblichen Ost-Westausrichtung. Ein Phänomen, das vermutlich auf die Ausrichtung der älteren Vorläuferbauten zurückzuführen ist, an die sich der ‚Neubau‘ anlehnte. Für Teile des Gebäudes wie Skulpturen, Dach und Kapitelle des Innenraums verwendete man Marmor, der Rest des Baus wurde aus lokal vorfindbarem grauem Stein gebaut. Der für einen klassischen Tempel ungewöhnlich langgestreckte Bau mit seinen 6 x 15 Säulen erinnert an ältere Tempelbauten des 6. Jahrhunderts, wogegen die Proportionen der Säulen schon eher Eigentümlichkeiten der Klassik aufweisen. Die Proportionen des Tempels (14 x 38 Meter) stimmen exakt mit denen des Apollon-Tempels in Delphi überein, der in dieser Hinsicht wohl als Vorbild diente, gehörte Delphi damals doch zu den heiligsten Stätten Griechenlands.

Besonderes Interesse und Bewunderung – damals wie heute – ruft jedoch die Gestaltung des Innenraums hervor, der cella. Während man von einem eher konventionellen Außenbau reden kann, ist die Gestaltung des inneren Saals als ungewöhnlich und prunkvoll zu bezeichnen. Die Säulen der cella stehen nicht frei im Raum, sondern sind mit den Seitenwänden durch Mauervorsprünge verbunden. Anders als die äußeren Säulen sind sie nicht im dorischen, sondern im ionischen Stil errichtet. Sie fußen auf weit ausladenden Basen, die schlanken, hohen Säulentrommeln gehen in mächtige ionische Kapitelle über. Die ionische Ordnung, die ursprünglich eigentlich für den Außenbau bestimmt war, wird damit zum bestimmenden Moment des Innenraums. Eine Besonderheit der Kunstgeschichte ist eine Säule der Schmalseite, die in einem korinthischen Kapitell endete, das älteste bis heute bekannte korinthische Kapitell der Baugeschichte. Es ist zwar heute nicht mehr vorhanden, doch erhalten gebliebene Zeichnungen geben ein genaues Bild seines Aussehens. Damit umfasst dieser Tempel dorische, ionische und auch korinthische Stilelemente gleichermaßen, wie ein aufgeschlagenes Buch griechischer Kunstgeschichte.

Über den ionischen Säulen der cella erstreckte sich einst ein Fries mit 23 Reliefplatten, die seit Anfang des 19. Jahrhunderts im Britischen Museum in London zu finden sind. Der Fries zählt neben dem Parthenonfries zu den besterhaltenen Kunstwerken der Klassik, er zeigt unter anderem lebendige Darstellungen von Amazonen- und Kentaurenkämpfen.

Über Einzelheiten des Kults, der im Tempel vollzogen wurde, ist leider nichts überliefert. Ebensowenig blieben Giebelskulpturen und Kultstatuen erhalten, auch wenn in griechischen Quellen davon berichtet wird.

Helmuth Weiss

 

 

 


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